„Die Komplexität moderner Gesellschaften, die sich aus den strukturellen Zusammenhängen zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ergibt, erschließt sich den Bürgerinnen und Bürgern nicht allein aus eigenen Alltagserfahrungen. Die zentrale Aufgabe des Unterrichtsfaches Politik-Wirtschaft ist es, die Schülerinnen und Schüler in die Lage zu versetzen, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Sachverhalte, Probleme und Interdependenzen zu erfassen, zu beurteilen sowie Interessen zu artikulieren und Entscheidungen zu treffen. Die im Bereich der politischen und ökonomischen Bildung erwarteten Kompetenzen sollen die Lernenden dazu befähigen, sich in der demokratischen Gesellschaft in öffentlichen Angelegenheiten und ökonomischen Situationen verantwortungsbewusst einzubringen.“

Mit diesen schönen, aber durchaus komplexen Sätzen wird im Kerncurriculum des Landes Niedersachsen der Bildungsauftrag des Faches Politik-Wirtschaft an niedersächsischen Schulen umrissen. Komplexität ist damit das Stichwort, das das Kerncurriculum einleitet und zugleich demonstriert.

Wo fangen wir als Politiklehrkräfte an? Unsere Schülerinnen und Schüler sehen sich in der heutigen Zeit mit einer Informationsflut bezüglich politischer Inhalte konfrontiert, die kaum beherrschbar ist. Von Breaking News auf diversen Kommunikationsportalen bis hin zu den vernetzten und kaum überschaubaren Inhalten der Nachrichtenseiten im Internet prasselt Politisches auf die Jugendlichen ein, oft genug in trivialiserter und skandalisierter Aufmachung. Nachrichtensendungen oder Printmedien, in denen seriöse Redaktionen die aktuellen Ereignisse auswählen, aufbereiten, priorisieren und kontextualisieren (schon die Reihung dieser Verben macht deutlich, wie komplex Politisches oft ist und wie viel Aufwand notwendig ist, um es verständlich zu machen), werden nur noch von einer Minderheit unserer Schülerinnen und Schülern regelmäßig konsumiert. Die Flut unverständlicher Einzelinformationen bringt nicht wenige unserer Schülerinnen und Schüler dazu, das politische Geschehen jenseits sensationeller Schlagzeilen gänzlich zu ignorieren.

Wir als Politiklehrerinnen und -lehrer am Ratsgymnasium sehen unsere Aufgabe daher nicht zuletzt darin, den Schülerinnen und Schülern Orientierung in dieser komplexen Welt zu geben und so einen Grundstein für die Vermittlung fachlichen Wissens zu legen.

Dies geschieht unter anderem durch die regelmäßige Beschäftigung mit aktuellen Ereignissen, wodurch die Schülerinnen und Schüler gleichzeitig erfahren, dass Politik und Wirtschaft eine erhebliche Relevanz für ihr – gegenwärtiges und zukünftiges – Leben haben. Gerade dadurch soll bei den Schülerinnen und Schülern das Interesse und die Freude am Fach geweckt werden.

Darüber hinaus ist ein wichtiges Ziel unserer Arbeit, bei den Schülerinnen und Schülern die Entwicklung von Werten wie Gerechtigkeit, Solidarität, Zivilcourage und Toleranz zu fördern und sie auf ihrem Weg zu kritischen, mündigen und engagierten Bürgerinnen und Bürgern zu begleiten.

Unterrichtsorganisation

Zu Beginn des Politikunterrichts in Klasse 8 begegnen den Schülerinnen und Schülern zunächst Fragestellungen, mit deren Hilfe sie ein Verständnis dafür entwickeln, dass ihr Alltag – für sie häufig unbemerkt – sehr stark von politischen oder wirtschaftlichen Entscheidungen geprägt ist. So beschäftigen sie sich mit verschiedenen Möglichkeiten, wie Entscheidungen in einer Gruppe überhaupt getroffen werden können, und welche Institutionen und Personen die Entscheidungen im Nahbereich der Schülerinnen und Schüler – in der Schule ebenso wie in der Gemeinde – treffen. Diese Erkenntnisse helfen den Schülerinnen und Schülern zu verstehen, dass Politik zentrale Instrumente liefert, um das Zusammenleben der Menschen zu gestalten, und dass dabei bestimmte Regeln eingehalten werden müssen. Darüber hinaus verdeutlichen sie, wie wichtig es ist, dass sich möglichst viele Menschen an den Entscheidungs- und Entwicklungsprozessen beteiligen.

Orientiert an der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen bildet einen weiteren wichtigen Schwerpunkt in der 8. Klasse die Frage nach dem jugendlichen Konsumverhalten, der Mündigkeit, der Geschäfts- und Deliktsfähigkeit Jugendlicher sowie der Bedeutung von Jugendschutzrichtlinien.

 

Im Fokus der Unterrichtsbetrachtung in der 9. Klasse steht die Auseinandersetzung mit den Grundlagen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie der Struktur und den Besonderheiten des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Hierbei werden zum Beispiel Begriffe wie Abgeordneter, Minister oder Parteien, mit denen die Schülerinnen und Schüler in ihrem Alltag häufig konfrontiert werden, erläutert und mit konkretem Verständnis gefüllt. Außerdem lernen sie das Wahlsystem und -recht Deutschlands kennen, was einen weiteren Schritt auf dem Weg zum mündigen Bürger darstellt. Hinsichtlich wirtschaftlicher Fragestellungen rückt auch das Unternehmen als wirtschaftliches und soziales Aktionszentrum ins Zentrum des Unterrichts. In diesem Kontext befassen sich die Schülerinnen und Schüler mit der Struktur, den Aufgaben und Zielen von Unternehmen sowie den unterschiedlichen Interessen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, mit denen sich diese konfrontiert sehen. So werden etwa aktuelle Tarifkonflikte unter den Aspekten Partizipation und Gerechtigkeit bewertet.

Schwerpunkte der 10. Klasse stellen die Arbeitswelt in der Bundesrepublik sowie die Europäische Union dar. In Jahrgang 10 im ersten Halbjahr beschäftigen wir uns unter anderem mit unterschiedlichen Formen von Beschäftigungsverhältnissen, Wirtschaftsordnungen und der Rolle des Staates in der sozialen Marktwirtschaft. Im zweiten Halbjahr geht es um die EU. Gerade in einer für die EU krisenhaften Zeit erscheint es uns wichtig, den Schülerinnen und Schülern die vielschichtige Bedeutung und den – auch ideellen – Wert dieses Zusammenschlusses vor Augen zu führen.

In der Sekundarstufe II haben die Schülerinnen und Schüler im Jahrgang 11 gemischten Unterricht bei ihrer Politiklehrkraft: Das Fach wird mit drei Stunden pro Woche unterrichtet, inhaltliche Schwerpunkte sind der Wandel der Arbeitswelt sowie die UNO: Dabei wechseln sich jedoch Phasen des fachlichen Unterrichts mit Phasen der eigenen Berufsorientierung ab, die in diesem Schuljahr vor allem im Unterricht des Faches Politik-Wirtschaft verankert ist. Auch das zweiwöchige Betriebspraktikum – jeweils in den ersten beiden Schulwochen nach den Herbstferien – wird von den Politiklehrkräften betreut.

In der Kursstufe (Jahrgang 12 und Jahrgang 13) wählen die Schülerinnen und Schüler je nach Interesse und Profil drei- oder fünfstündige Kurse, die sie zwei oder vier Semester lang belegen. Im ersten Semester wird das politische System Deutschlands mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der Partizipation – und ihren Grenzen – behandelt. Im zweiten Semester geht es um die Wirtschaftsordnung sowie um Formen der Wertschöpfung. Auch werden Grundlagen, Ziele und Probleme der Verteilung von Wertschöpfung behandelt und so die Herausforderung thematisiert, innerhalb eines Staates Gerechtigkeit zu schaffen. Im dritten und vierten Semester wird die Perspektive auf die internationale Ebene erweitert. So werden im dritten Semester Ziele und Herausforderungen der internationalen Friedenssicherung behandelt, im vierten Semester geht es um die Schaffung und Verteilung von Wohlstand im Rahmen der so genannten Globalisierung.

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29. Januar 2024

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